Podcast „Kluges aus der Mitte”

Kluges Aus der Mitte

In unserem Podcast „Kluges aus der Mitte“ treffen wir Menschen, mit denen wir über Veränderungsprojekte in Organisationen sprechen. Dabei treffen wir sowohl die Treiber aus der Mitte der Organisation, die oft ohne Auftrag, aber mit Erfolg Veränderungen anstoßen – und wir treffen die Entscheider, die Freiräume schaffen, damit Initiativen aus der Mitte zum Erfolg der Organisation beitragen können.

Es geht um Motivation, Ansätze und Erfolge, Unternehmen in komplexen Zeiten durch Transformation zu stärken. Unsere Gesprächspartner sind Menschen, die das Schicksal ihres Unternehmens mitgestalten wollen und wirksam werden. Wir gehen mit der audiografischen Lupe nah heran und analysieren mit unseren Gesprächspartnern die Entwicklungen, insbesondere die Übergänge aus Sicht der Menschen, die schon ein wenig voraus sind, die vielleicht schon sehen können, was kommt und daher Dinge anstoßen, bevor die Organisation es institutionalisiert.

Basis für den Podcast sind die Recherchen zu unserem Buch “Graswurzelinitiativen in Unternehmen”. Die ersten Folgen beschäftigen sich insbesondere mit den dort dokumentierten Fallbeispielen. Heute treffen wir Graswurzelakteure ebenso wie Top-Entscheider, um über die Transformation der Organisation zu sprechen.

Den Podcast kann man sich direkt bei der jeweiligen Folge im Browser anhören, und auf allen gängigen Plattformen abonnieren:

  1. № 27 Scheitern, Lernen, Demut – ein Gespräch über Erfolg und Versagen als zwei Seiten der gleichen Medaille

    Über das Scheitern im Leben und im Job, wie es uns prägt, wie es uns entwickelt und voranbringt - als Menschen und als Organisation sprechen wir mit Frauke von Polier, Chief People Officer bei Viessmann, Beirätin bei HeyJob und Lektorin am Institut für Führung in St. Gallen und Sirka Laudon, Personalvorständin und Arbeitsdirektorin bei Axa. In unserem Gespräch geben sie als zeitgemäße HR Vordenkerinnen unter anderem Einblicke in die Frage, wie HR Experten Brüche und Lücken in Lebensläufen interpretieren: Wie viele Brüche, wie viel Wahrheit ist erlaubt oder auch was ist geraten, wenn der eigene Lebenslauf Stationen des Scheiterns oder Lücken aufweist? "Es geht darum, eine stimmige Geschichte zu erzählen", ist Frauke von Polier überzeugt, verweist auf ihr eigenes Linkedin Profil und teilt im Gespräch offen Stationen ihrer eigene Biografie vom Aufwachsen im kleinen Dorf mit einer alleinerziehenden Mutter über erste aufregende Startup Erfahrungen bei Lycos hin zu den eigenen ernsten Wechselfällen des Lebens, die die Perspektive auf Wollen und Werden noch einmal ganz zentral prägen. Das Sprechen übers Scheitern wird heute als "Fehlerkultur ist Lernkultur" in Organisationen kultiviert. Formate wie sogenannte "Fuckup Nigths" sollen Menschen ermutigen, das Scheitern besprechbar zu machen. Es gehe aber vor allem um das Lernen aus Fehlern, "weg von einer Glorifizierung des Scheiterns hin zur Glorifizierung des Lernens".

  2. № 16 Selbstorganisation bei Siemens: Ihr baut Eure Fabrik!

    Am Anfang stand ein offizieller Auftrag für Ronny Großjohann und Dr. Robert Harms: Die Turbinenbrenner-Fertigung wieder ins Haus und nach Berlin zu holen und diese Fertigung auf dem traditionsreichen Gelände in der Hüttenstrasse aufzubauen. Die beiden haben sich gefunden, ihnen ist vor allem eines gemeinsam: Die Unzufriedenheit mit der Politik des Outsourcing, des kontinuierlichen Abbaus der Wertschöpfungstiefe - und damit verbunden die verpasste Chance, das hohe Know-how der Experten vor Ort zum Wohle des Unternehmens zu nutzen. Es gab also einen Auftrag, aber was war dann das "graswurzelige" an der Initiative? Schon bevor der Auftrag offiziell erteil wird, wechseln die Mitstreiter in den Startup Mode. Sie schließen sich ein, lange bevor der offizielle Fabrikbauauftrag erfolgt und haben den Ehrgeiz: "Euch werden wir es schon zeigen. Was wir hier aufbauen, dazu könnt Ihr nicht Nein sagen!" Sie agieren wie ein Startup, nur nebenbei, ohne Auftrag. Neben dem normalen Job entwickeln sie die Insourcing-Idee der Brennerfertigung. Fünf Kollegen malen meisterlich Folien, entwickeln das Konzept, und gehen dann den offiziellen Weg durch die Instanzen. Es geht um 10 Mio. Euro, eine Summe, die für einen Konzern wie Siemens eigentlich kein allzu großes Risiko bedeutet, aber dennoch umfangreiche prozessuale Anforderungen bedingt. Der Auftrag kommt, es beginnt der formale Teil. Der Investor ist gefunden, nun wir Organisation aufgebaut, Prozesse geschaffen, Pläne gezeichnet. Es greifen die Projektplanungs- und Abwicklungsmethoden, das Risikomanagement des Konzern. New Work ist noch ein Fremdbegriff, man arbeitet, wie man bei Siemens immer gearbeitet hat. Was folgt? Der vorgeschriebene Weg des Siemens Projektmanagements wollte das Projekt einfach nicht ans Ziel bringen.  "Gescheitert ist der erste Versuch nicht durch die etablierten Methoden, sondern trotz der Methoden" sagt Robert Harms. Alle 50 Kollegen, die an dem Projekt beteiligt waren, haben nur noch auf die Werkzeuge referenziert. Alle waren in Bewegung, aber das Projekt ist nicht vorangekommen. "Es fühlte sich so träge an", berichtet Ronny Großjohann.

  3. № 15 Anders Entscheiden bei der DATEV: Von Top-Down zu Outside-In

    Alper Aslans Beruf ist es, so erzählt er in unserem Gespräch, Kunden in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen. Dafür sucht er Formate, die nicht unbedingt in seiner Job Description stehen und auch Schmerzen bei denjenigen Kollegen verursachen, deren heutige Verantwortung es ist, genau diese Dinge voranzutreiben. Barcamps, Working Out Loud, agile Methoden der Zusammenarbeit vermutet man eher nicht beim Rechenzentrumsdienstleister und Softwareanbieter der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Nürnberg - und doch sind alle diese Dinge als Graswurzeln aus der Mitte der Organisation heraus gewachsen. In unserem Gespräch mit Alper Aslan erfahren wir, wie das erste Barcamp den Austausch über Agilität, über Marktorientierung, ja über die Frage, wie man die DATEV zu einem besseren Unternehmen machen könnte, entstanden ist. Die Initiatoren dieses Barcamps sind noch gegen Widerstände angerannt. Ein Kollege hat die Idee gehabt, hat Mitstreiter gesucht, schließlich haben acht Mitarbeiter das Barcamp neben der Arbeitszeit auf die Beine gestellt. "Wir haben das erste Barcamp dann am Samstag durchgeführt", erzählt Alper Aslan, "Und am Montag haben wir dann erfahren, was wir alles falsch gemacht haben". Das reichte dann von Missachtung der Arbeitszeitregelung über Gebäudesicherheit bis hin zu der Frage, wer sich eigentlich um das Abspülen der ganzen Tassen kümmert und ob das den Hygiene-Standards entspricht. Immerhin: Es kamen 120 Teilnehmer - oder besser gesagt Teilgeber - die an diesem Tag sich zu vielen Sessions austauschten und eigentlich die Grundlage bildeten für eine neue Form des "miteinander und voneinander Lernens" - und vielleicht auch den Grundstein für eine andere Art der Zusammenarbeit legten.

  4. № 14 Diversität bei der ERGO: Im Zeichen des Regenbogens

    In dieser Folge treffen wir eigentlich noch keine blühende Wiese, sondern eher einen Sämling. Die LGBT+ Initiative wurde offiziell erst am 1.9.2020 aus der Taufe gehoben, mitten in der Corona Zeit, aber sie nimmt gerade trotz alle Widrigkeiten Fahrt auf.  Wir sprechen mit Daniela Leonbacher über die von ihr initiierte Graswurzelinitiative pride@ergo, die, kaum ist sie in der Welt, gleich Aufmerksamkeit erlang und schnell "Licht von oben" bekommt. Daniela ist jung, aber in puncto Betriebszugehörigkeit fast ein Urgestein. Seit mehr als 19 Jahren im Haus tätig, nach der Realschule mit 16 Jahren zur Lehre bei der Ergo angefangen, beginnt sie jetzt, das Unternehmen auf ihre Art und Weise mitzugestalten. Eher zufällig stolpert sie bei einem Biergartenbesuch mit einer Freundin und einem Gespräch über Firmenengagements beim Christopher Street Day über das, was jetzt ihr Thema werden sollte: eine LGBT+ Initiative bei der Ergo aufzubauen. Denn schnell wird ihr bei einer Recherche im Intranet nach ihrem Feierabend-Gespräch klar: Diversity ist durchaus ein Thema im Unternehmen, aber um das Themenfeld diverser sexueller Orientierung kümmert sich bisher niemand. Eine Nachfrage bei den Diversity-Beauftragten bringt überraschendes zu Tage: Ja, man würde das Thema gerne unterstützen, aber es soll doch bitte aus der Mitte der Organisation kommen, man will es nicht zentral organisieren. Der Ball ist also in der Luft, er muss nur noch gefangen werden. Und Daniela fängt ihn.

  5. № 13 Dr. Hans-Joachim Gergs: Der Angriff auf die alte Ordnung

    Hans-Joachim Gergs ist Forscher, Berater und Autor, und hat aktuell mit "Agilität braucht Stabilität" ein neues, sehr lesenswertes Buch vorgelegt. In unserem Buch "Graswurzelinitiativen in Unternehmen" greifen wir Erkenntnisse aus seiner Forschungsarbeit auf, die er in seinem Buch "Die Kunst der kontinuierlichen Selbsterneuerung" veröffentlicht hat. Anlaß genug, ihn zum Gespräch über Graswurzelinitiativen zu treffen. Gergs schaut mir geschultem Blick auf die Hinterbühne der Organisation und analysiert, was hinter der Kulisse passiert und wie auch soziale Bewegungen und damit auch Graswurzelbewegungen Organisationen verändern. Dabei hinterfragt er die Grundannahme, die seit Kotter und Peters & Watermann bestehen: Geht Veränderung wirklich nur mit Druck, gibt es ohne Sense for Urgency keine Veränderung? Gibt es einen festen Set von Erfolgsfaktoren, die das Überleben der Organisation sichern? Gergs spricht lieber nicht von Erfolgsfaktoren, sondern von Handlungsprinzipien, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Organisation langfristig überlebensfähig ist. Patentrezepte, so Gergs, gibt es nicht. Die wichtigsten Prinzipien aus seiner Sicht sind Selbstreflexion, Kommunikation und Vernetzung.  Der Erhalt der Erneuerungsfähigkeit, so Gergs, ist Sisyphusarbeit, die Arbeit daran hört nie auf. Entscheidend für die Frage, wie man die Handlungsprinzipien in der Organisation verankert, ist das Mindset, die Haltung von Entscheidern und Mitarbeitern, sich ständig zu hinterfragen. Zentraler Punkt: Es geht darum, Möglichkeitsräume zu schaffen, aus denen heraus die bestehende Ordnung in Organisationen angegriffen werden können.

  6. № 09 Coaching von Frauen für Frauen bei SIEMENS: Es braucht auch eine Bienenkönigin!

    Wir treffen in diesem Gespräch drei Akteure von GROW2GLOW, einer Initiative von Frauen bei der SIEMENS AG, die kostenloses Coaching für ihre Kolleginnen anbieten: Jede Frau bei Siemens kann sich in drei kostenlosen Sessions genau in dem Bereich coachen lassen, der gerade individuell gefordert ist – weltweit und unabhängig von Job, Alter und Position. Nina Eichholz, Gerda-Marie Adenau und Melanie Lirk sprechen mit uns über die Motivation, neben ihrem Job diese Initiative aus der Taufe zu heben, wir erfahren viel über die Entstehungsgeschichte und die Herausforderungen und lernen, wie sich die Initiative schließlich etabliert hat. Die drei Akteure beschreiben den Weg, wie sie die Initiative im Social Intranet bekannt machen, wie sie zunächst nicht einmal den Begriff "Coaching" als Leistungsangebot nennen sollten,  sie dann aber immer mehr Coaches und Coachees zusammenbringen und schließlich auf einem Management Talk die damalige Siemens-Personalvorständin Janina Kugel ansprechen - und tatsächlich nicht nur moralische, sondern auch monetäre Unterstützung bekommen. Sie erzählen von dem Mut, den sie aufbringen mussten, ihr Vorhaben zu beschreiben und beim Vorstand anzubringen, und von dem überwältigenden Gefühl, plötzlich Rückendeckung für ihre Initiative zu bekommen. Und sie berichten, wie sie Schritt für Schritt sichtbarer werden, als sie bei der Bewerbung um den Werner-von-Siemens Award, den Oscar der Siemens Welt, unter die ersten 10 kommen und in der Organisation bekannt werden - und damit klar den Wertbeitrag für Siemens darstellen können.

  7. № 07 Judith Muster: Über Verbürokratisierung und Entbürokratisierung von Organisationen

    Unser heutiger Gesprächspartner dürfte über die Grenzen der organisationsoziologisch forschenden und lehrenden Mitmenschen hinaus bekannt sein: Judith Muster. Zum einen lehrend an der Uni Potsdam tätig, zum anderen beratend als Partner der internationalen Unternehmensberatung Metaplan tätig, spricht sie mit uns über Graswurzelinitiativen, brauchbare Illegalität und die Frage, welche Rolle mitarbeitergetriebene Initiativen, die ohne Auftrag aus der Informalität der Organisation entstehen, wirklich Unternehmen verändern können. Wir sprechen darüber, ob Graswurzelinitiativen vielleicht auch ein Zeichen unserer Zeit sind und verständigen uns, dass sie zumindest heute durch die Form der Kommunikation deutlich legitimiert sind. Wir sprechen offen über diese Bewegungen, und sie werden sichtbarer. Aus systemtheoretischer Sicht kann man zumindest konstatieren: Wir können jetzt darüber verhandeln, früher konnte man es nicht besprechen. Macht das die Sache leichter für die Graswurzel? Judith Muster verneint: Zwar wird ein formaler Ausschluss aus der Organisation im schlimmsten Falle dann auch sichtbar. Wesentlicher ist aber dennoch im Falle der Konkretisierung des Anliegens, dass wenn es nach der hochfliegenden Wertediskussion zur Ableitung konkreter auch schmerzhafter Maßnahmen kommt, die Akteure keinen Schutz durch formale Hierarchie haben. Die Fallhöhe desjenigen, der die Graswurzelinitiative in die Lösungsorientierung führt, sei so relativ hoch. Man muss also genau den Zeitpunkt abpassen, an dem man die Verhandlung mit der Hierarchie, die die Entscheidung ja absichern, aufnimmt. Alles was jenseits der Formalität stattfindet, ist extrem viel risikoreicher für die Akteure.

  8. № 06 Innovation bei Texas Instruments: Über Penicillin, Petrischalen und das Jahr 1928

    Fragt ein Mitarbeiter bei Texas Instruments, wie man es mit dem Thema Innovation hält, so erhält er deutlich zu Antwort: „Innovation is in everything what we do“. Texas Instruments, ein Technologieunternehmen, das vielen von uns schon in der Schule als Hersteller der Taschenrechner für den Mathematik-Unterricht begegnet ist und dessen Prozessoren in all unseren Haushaltsgeräten ihren Dienst tun, schreibt Innovation groß: in Texas, weit weg vom deutschen Standort, in den Kilby-Labs - benannt nach Jack Kilby, dem Erfinder des integrierten Schaltkreises und vermutlich berühmtesten Sohn des Unternehmens – werden die großen Innovationen ausgebrütet. In Deutschland sorgen dann allerdings die Experten für die inkrementellen Verbesserungen.  Von großen Innovationen wird hier wenig spürbar. „Niemand bei uns wusste, was Innovation in seinem konkreten Arbeitskontext wirklich heißt. Also haben wir einfach mal einen Raum gebucht und eine Einladung rausgeschickt", erinnert Leisgang. Leisgang beschließt, das Thema Innovation in Eigenregie in die Hand zu nehmen und das Thema erlebbar zu machen und Kollegen zu begeistern. Er lädt zum ersten „Innovation Day“, erst in kleinem Kreis, dann mit großem Verteiler. Das Format legt er als Open Space an, und setzt das Thema Innovation damit auf die Tagesordnung. „Ich habe mir gedacht: das probiere ich jetzt einfach aus. Das Schlimmste, was passieren kann, ist: ich sitze alleine da und keiner kommt. Dann weiß ich zumindest, dass ich bei der ganzen Geschichte keine Mitstreiter habe", erzählt Leisgang in unserem Buch „Graswurzelinitiativen in Unternehmen“. Es kommt aber anders. Die Innovation Days wachsen und werden fester Bestandteil des Alltags, es entsteht ein Innovation Club als bereichsübergreifende Initiative, und neue Formate wie die Inspirations-Session „Sparks“ liefern Andockmöglichkeiten für neue interessierte Kollegen. Warum Tobias Leisgang das Jahr 1928 wichtig war, was das mit Petrischalen zu tun hat und wie die Innovations- Graswurzel weiter gewachsen ist, das erzählt er in der neuen Folge unseres Podcasts.

© 2024 kluge_konsorten